Zwischenbericht der AG Alte Münze zur Entwicklung der Alten Münze

Liebe Kolleg*innen und Freund*innen der Koalition der Freien Szene,

Anfang des Jahres haben wir die Missstände im Entwicklungsprozess um die Alte Münze in einer Pressemitteilung benannt und unsere bereits bekannten Forderungen diesbezüglich wiederholt. Leider hat sich seither nichts verändert und der Eindruck, der partizipative Prozess von 2019 diente lediglich einer Scheinbeteiligung, wird weiter untermauert.

Weder die Öffentlichkeit noch die bisher am Prozess beteiligten Akteur*innen oder die Kooperationspartner – wie die (dieses Jahr an den Start gegangene) Kulturraum Berlin GmbH oder die (vor wenigen Wochen nur kurzfristig eingesetzte) Beratungsagentur Arup Ltd. – sind bezüglich der Planungen der Senatsverwaltung für Kultur und Europa (SenKE) voll im Bilde oder in der Lage, über die Zuständigkeiten und konkreten nächsten Schritte des weiteren Verfahrens zu informieren.

So jedenfalls kann man die Situation lesen, wenn man die Antworten auf all die Gesprächsanfragen an SenKE nebeneinanderlegt, die wir seit 2 Jahren nicht müde werden zu stellen. Egal, ob dies einer bewussten Verzögerungstaktik oder tatsächlicher Unwissenheit geschuldet ist – die Situation ist in beiden Fällen inakzeptabel, geht es hier schließlich um ein öffentliches Gebäude, in das mindestens 35 Mio. Euro Steuergelder investiert werden sollen.

Folgendes Beispiel soll die Undurchsichtigkeit der Lage einmal veranschaulichen: Nachdem uns im April von SenKE mitgeteilt worden war, dass Fragen zur Alten Münze künftig mit der Kulturraum Berlin GmbH zu führen seien, konnte diese auf Anfrage zunächst keinerlei Aussagen zu konkreten nächsten Planungsschritten tätigen. Im Mai dann wurden wir von SenKE „i.A. des Alte Münze Teams der Senatsverwaltung“ informiert, dass nun ein Büro für die strategische Beratung beauftragt worden sei, dass sich gerne mit uns unterhalten wollen würde, um unsere “Vorstellungen und Wünsche” für die Alte Münze kennenzulernen.

Wir waren von diesem Gesprächsangebot zunächst verwundert, dann auch irritiert. Denn schließlich gab es 2019 einen sehr zeitintensiven, sehr zähen partizipativen Prozess – den Workshop mit über 40 Beteiligten. Diese 40 Beteiligten konnten sich im Ergebnis auf eine grundlegende Charta einigen und einen konkreten Fahrplan zur Entwicklung der Nutzungs- und Betriebsstruktur vorweisen. Der Kulturausschuss verabschiedete die Charta im Januar 2020 als Richtlinie für die langfristige Entwicklung der Alten Münze zum Ort der Produktion und Präsentation der Freien Kunst- und Kulturszene. Und seither: Schweigen seitens der Verwaltung. Der aus dem Partizipationsverfahren hervorgegangene und von allen Beteiligten gewünschte Arbeitsauftrag zwischen SenKE und den seinerzeit gegründeten Arbeitsgruppen zur Erarbeitung eines Betreibermodells neben dem Nutzungskonzept, wurde von der Verwaltung immer wieder nach hinten verschoben.

Bei der letzten öffentlichen Veranstaltung, die wir als AG Alte Münze im August 2020 organisierten, zeigte sich, dass der kulturpolitische Wille nicht ausreicht, um die Verwaltung stärker an ihre Aufgabe zu erinnern, für öffentliche Informationsflüsse, Transparenz und Dialog-Angebote zu sorgen, um dieses Ausnahme-Areal öffentlich, partizipativ und im Sinne der Charta mit den Partner*innen umzusetzen. Im Januar 2021 dann, also Monate nach dieser Veranstaltung, wurde auf unser Drängen hin die Website der SenKE zur Alten Münze aktualisiert, die auf dem Stand vom Herbst 2019 war.

Als ein zweites „Ergebnis“ könnte man das öffentliche Übereinkommen bei jener Veranstaltung im August 2020 nennen: Alle beteiligten Gäste (inkl. der BIM, dem BKM, dem Bezirk Mitte usw.) bestätigten einander die Notwendigkeit, sich an einen Tisch zu setzen, um gemeinsam an der Alten Münze weiterzuarbeiten und den Informationsfluss in Gang zu halten. Bisher jedoch keine Zeichen eines solchen Treffens, keinerlei Informationen, die auf Schritte in diese Richtung schließen ließen. Und dies, obwohl die kulturpolitischen Sprecher*innen von r2g die Alte Münze als kulturpolitisches Projekt von höchster Priorität einordnen und die unermüdliche, kritische Arbeit der AG Alte Münze der letzten Jahre wertgeschätzt und Unterstützung für weitere Veranstaltungen zugesagt haben.

Stattdessen ging es parallel hinter den Kulissen weiter: Anfang 2020 wurden sogenannte Pat*innen von der Verwaltung eingebunden, die über diese Anfrage, ihre konkreten Aufgaben und Vergütung nach eigenen Angaben keine Auskunft geben durften, ja wohl zum Stillschweigen explizit aufgefordert worden sein sollen. Die SenKE leugnete diese Aussage an Pat*innen bei unserer VA im August 2020. Die eigentliche Aufgabe der Pat*innen ist selbst den Pat*innen nicht ganz klar, wissen sie ja um die Charta und sehen ihren Auftrag daher teils als Solidaritätsbruch teils als falsches Signal in die Szene, denn: Es scheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass für die beteiligten Pat*innen durch diesen Auftrag auch die Aussicht auf eine Eigennutzung von Räumen vor Ort besteht.

Ebenfalls parallel ist wohl das Planungsbüro Rüthnick Architekten beauftragt – dessen genaues Briefing, Zeitplan und Zwischenergebnisse nach fast einem Jahr sicherlich auch alle interessieren würde. Uns jedenfalls würde es sehr interessieren, wieder einmal alle Akteur*innen an einen Tisch zu holen, um Informationen zusammenzutragen und den Zwischenstand mit der Charta und den anderen Verabredungen aus dem Beteiligungsprozess abzugleichen – eine Arbeit, die die Verwaltung bisher nicht geleistet hat, nicht leisten konnte oder wollte, und die daher weiter wir im zivilgesellschaftlichen Engagement leisten und einfordern.

Und nun also ein neuer Player: das internationale Planungsbüro Arup mit renommiertem Ruf, das sich durch hoch-dotierte und aufwendige Aufträge auszeichnet. Wir als AG Alte Münze haben uns am 2. Juni mit ihnen im Gespräch angehört, was sie – weitestgehend von London aus arbeitend – in den Prozess um die Alte Münze einbringen werden, um ihren Auftrag erfüllen zu können, nämlich: einen technischen Anforderungskatalog für die Alte Münze zu entwickeln und die “Identity” des Ortes einzufangen. Für diesen Auftrag haben sie 10 Wochen Zeit und werden hoffentlich – so haben wir es verstanden – eine Gelegenheit finden, sich die Alte Münze in Berlin auch mal live anzuschauen. Als konkretes Arbeitsergebnis sei ein schriftlicher Bericht und eine Empfehlung zur technischen Umsetzbarkeit der Raumnutzungen abzugeben. Es sollte einem dabei nicht entgehen, dass dieses Auftragsende und die Vorstellung der Ergebnisse in die zweite Augusthälfte fallen und damit pünktlich in die heiße Wahlkampfphase. Wir wiederholten Arup gegenüber die Anforderungen der Charta, machten klar, dass wir keine weiteren, geschweige denn eigene Nutzungsinteressen anzumelden hätten, da diese dem Ergebnis des Prozesses widersprechen würden.

Unser Fazit

Wir erwarten, dass seriös mit den öffentlichen Geldern umgegangen wird, dass die Kostenplanung für die Alte Münze transparent gemacht wird, die Ergebnisse von Aufträgen wie an Rüthnick und Arup in Bezug auf die Charta, das Nutzungskonzept und das Betreibermodell formuliert und öffentlich vorgestellt und diskutiert werden. Eine internationale Firma ohne lokalen Berliner Szenebezug wird für 10 Wochen für viel Geld zu einem Remote-Einsatz berufen, während die Freie Szene sich seit Beginn unentgeltlich für dieses Entwicklungsprojekt von gesamtstädtischer Bedeutung engagiert. Arup ist Anfang August wieder weg – die Akteur*innen des Prozesses bleiben und wir als AG Alte Münze bleiben natürlich dran, sprechen weiterhin mit allen, schicken unsere Fragen an SenKE, notieren die Funkstille, die Ausflüchte, die ausstehende Einladung zur Weiterarbeit am Betreibermodell.

Wir befürchten, dass die einmalige Chance der Alten Münze, nämlich ein Aushängeschild der Produktion und Präsentation der Freien Kunst- und Kulturszene Berlins öffentlich zu entwickeln – eingebettet in das zentrale Stadtgebiet von Marinehaus über Molkenmarkt und Haus der Statistik bis zum Humboldt Forum – an der politischen und verwaltungstechnischen Unlust auf echte Partizipation und auf das Gehen neuer Wege scheitern könnte.

Das werden wir nicht einfach hinnehmen und planen weitere öffentliche Veranstaltungen. Merkt Euch daher jetzt schon einmal den 23. und 24.8.2021 vor: Am 23.8. wollen wir mit Euch zu den Kulturorten der Zukunft radeln und hören, welche Visionen und Möglichkeiten für eine vielfältige Kultur- und Stadtentwicklung Berlin hat; am 24.8. laden wir noch einmal alle Akteur*innen rund um die Alte Münze zu einem öffentlichen Podium ein, damit sie Euch Rede und Antwort stehen. Wir hoffen sehr, Euch dann alle dort zu sehen!

Mit herzlichen Grüßen

Eure AG Alte Münze

AG Alte Münze der Koalition der Freien Szene: Wibke Behrens / Chris Benedict / Tine Elbel / Christophe Knoch / Julia Schell / Bastian Sistig / Teo S. Vlad / Elke Weber

Button Charta Alte Münze
Skip to content