PRESSEMITTEILUNG
Keine Öffentlichkeit, keine Transparenz – Freie Kunst- und Kulturszene bangt um den Prozess zur Alten Münze
Nachdem das Beteiligungsverfahren rund um die Alte Münze im Juni 2019 beendet war, beschloss der Kulturausschuss im Januar 2020 die Umsetzung der darin erarbeiteten Ergebnisse zu einem Vorhaben des Senats (Drucksache 18/2411). Insbesondere die darin erarbeitete Charta sollte zur Grundlage aller weiteren Schritte werden. Natürlich dominiert Corona gerade die Kulturpolitik, allerdings haben Kultursenator Lederer und Kulturstaatssekretär Wöhlert wiederholt öffentlich zugesichert, dass die Alte Münze hohe Priorität in der Senatskulturverwaltung habe. Doch leider wurden die Versprechen auf eine transparente, öffentliche Informationspolitik zum Stand der Entwicklung sowie die Festschreibung der Kulturnutzung im gesamten Areal bisher nicht eingelöst. Denn dafür würde es der Weiterführung des Beteiligungsverfahrens auf Basis der erarbeiteten Charta bedürfen. Nur so kann die Zukunft der Alten Münze als Standort für die freie Kunst- und Kulturszene gesichert werden.
So birgt beispielsweise die Einbindung von Pat*innen zur räumlichen Bedarfsplanung die Gefahr intransparenter Entscheidungen: Denn es wurden willkürlich einzelne Pat*innen zur Beratung für gesamte Sparten angefragt, die (natürlich berechtigtes) Eigeninteresse an Räumlichkeiten auf dem Areal haben – unter Verschwiegenheit und auf ehrenamtlicher Basis. Zwar wurde seitens der Senatsverwaltung zugesichert, dass es keine Vorfestlegung zu den zukünftigen Nutzer*innen geben wird, dennoch stimmt das Vorgehen skeptisch, schließ-lich sind die Akteur*innen angefragt, monatelang ohne Vergütung mit ihrer Expertise bera-tend tätig zu werden. Auch die widersprüchliche Kommunikation zur Ko-Finanzierung des geplanten „Zentrum für Jazz und improvisierte Musik“ durch Bund und Land in jährlicher Millionenhöhe irritiert und sät Misstrauen. Obwohl es zunächst hieß, die Alte Münze müsse sich komplett selbst tragen, sollen nun doch Gelder zur Deckung der laufenden Kosten eines Teils des Areals fließen. Diese im Dunkeln laufenden Vorgänge ohne den Versuch, die Synergien verschiedenster Interessengruppen in die Planungen miteinzubeziehen, werden der Verantwortung, in der Alten Münze € 35 Mio. zu verbauen, nicht gerecht. Um es nochmals deutlich zu sagen: Es geht um die Transparenz des Entwicklungsverfahrens und um den öffentlichen Diskurs!
Dafür müsste auch der Blick geöffnet werden, um die Alte Münze in ein innerstädtisches Gesamtkonzept einzufügen, den Ort im größeren Kontext von BERLINS NEUER MITTE zu diskutieren und dabei die Impulse aus dem Beteiligungsverfahren aufzugreifen. Um einen städtischen Diskurs zu ermöglichen und bürgerschaftliches Engagement anzuregen, müssten alle Interessierten in einen stetigen Dialog, also einen prozesshaften Austausch, eingebunden sein. Ein solches Format unterscheidet sich wesentlich von einer Informationspolitik, bei der nur in eine Richtung, von oben nach unten, und erst nach Entscheidungen und auf Nachfrage kommuniziert wird. Der spannende kulturpolitische Kontext der neuen Berliner Mitte umfasst die Neuentwicklungen des gesamten Bereichs um das Humboldt Forum, die Vorgänge im Haus der Statistik, das Palais am Festungsgraben, die Neuausrichtung des Märkischen Museums und das Projekt Flussbad. Diese ganze Gegend bekommt durch neue Kommunikations- und Fahrradwege, Akteure und ÖPVN-Zugänge ein neues Profil – doch die Alte Münze wird überhaupt nicht in diesem Kontext diskutiert. Das Humboldt Forum macht sich nun hinkend auf den Weg. Das Haus der Statistik ist weder mit dem Forum noch mit der Alten Münze verbunden. Und dem Märkischen Museum erweist man einen Bärendienst, wenn man es abgeschlagen in seiner Ecke liegen lässt. Wie und wo können Gedanken und Ideen weiterentwickelt werden, die Ausgaben in Millionenhöhe rechtfertigen, wenn sie nicht in einen öffentlichen Diskurs eingebunden sind?
Die Auswertung des vom Abgeordnetenhaus angestoßenen partizipativen Prozesses zur Alten Münze liegt mittlerweile schon 1,5 Jahre zurück. Aus heutiger Sicht fällt die Bilanz dürftig aus, denn ein großes Potenzial an Teilhabe, Expertise und Ressourcen wurde nicht ausgeschöpft und droht so langfristig völlig verloren zu gehen. Die AG Alte Münze rät daher dringend dazu, dem Auftrag der BIM zur Entwicklung eines Bedarfsprogramms an das Büro Rüthnick Architekten schnellstmöglich öffentliche Veranstaltungen und Gremien bzw. eine Steuerungsgruppe an die Seite zu stellen und auch für die gemeinsame, transparente Weiterentwicklung des Betreiberkonzepts zu sorgen.
Ideen zur Sicherung des Kulturstandorts haben wir bereits zahlreich eingebracht, z.B. die Nutzungsfestschreibung der Alten Münze im Grundbuch, weitere öffentliche Veranstaltungen und die Einrichtung eines kontinuierlichen Formats, beispielsweise eines Runden Tischs, um dem hohen öffentlichen Interesse und der Verantwortung für die Steuergelder durch Transparenz gerecht zu werden. Die kulturpolitischen Sprecher*innen von Rot-Rot-Grün befürworten die weitere Partizipation und die langfristige Sicherung des Standorts ausdrücklich. Doch dafür braucht es den politischen Umsetzungswillen der Legislative – sprich: konkrete Beschlüsse – und auch konkrete Maßnahmen der Exekutive, und zwar noch vor den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 2021.
AG Alte Münze der Koalition der Freien Szene
Weitere Informationen zum Beteiligungsverfahren unter:
https://www.berlin.de/alte-muenze.
Pressekontakt:
Julia Schell (Sprecher*innen-Kreis der Koalition der Freien Szene)
julia[at]kunstundkomma.de