5 Prämissen für eine Neusystematisierung der Förderstruktur der Freien Kunstszene
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1. künstlerische Qualität als alleiniges Entscheidungskriterium
(= Freiheit der Kunst vs. Instrumentalisierung von Kunst)
Kunstförderung darf sich nur an künstlerischen Kriterien orientieren. Dabei ist Qualität kein fixer Parameter, sie wird laufend den sich wandelnden Realitäten angepasst und kontextbezogen beurteilt. Kunstförderung darf keinen Einfluss auf inhaltliche Aussagen eines Kunstwerkes ausüben.
Die Senatsverwaltung differenziert zwischen Zweckfreiheit der Kunst und Kunstförderung, die zweckgebunden ist. Dadurch, dass die Senatsverwaltung die Agenda der Zielwerkstatt von vorneherein um außerkulturelle Zielsetzungen erweitert (Publikum, Nichtpublikum, Stadtentwicklung, Tourismusförderung, etc.), hat sie eine Setzung vorgegeben, die von uns nicht tragbar ist und die notwendige Autonomie von Kunst untergräbt.
Kunst ist Gegenwelt. Kunst ist, was in kreativer, zweckfreier Gestaltungskraft entsteht. Kunst ist ein Denk- und Spielraum, ist Zukunftswerkstatt. Künste funktionieren nach dem Paradoxon der «Zweckmäßigkeit ohne Zweck». Nur wenn sie sich frei von äußeren Zwecken entwickeln können, wohnt ihnen das Potenzial inne, gesellschaftliche Wirkungen zu entfalten. Kulturpolitik ist immer auch Demokratiepolitik, die Autonomiespielräume zu schützen hat.
Die SenKE formuliert selbst (vgl. www.berlin.de/sen/kultur/foerderung/foerderprogramme): Kunstfreiheit, Staatsferne, Transparenz, Vergleichbarkeit und Förderungsgerechtigkeit sind die wichtigsten Grundlagen von künstlerischer Förderung. Was ist dem hinzuzufügen?
Kulturpolitische Leitsätze einer Senatsverwaltung für Kultur können durchaus auch andere Wirkungszusammenhänge abbilden (Verbesserung der Lebensqualität, Verbesserung der Infrastruktur, Standortattraktivität, Stadtmarketing), aber sie können maximal sekundär sein, und dürfen nicht als Zielsetzung oder in die Entscheidungskriterien von Kunstförderung integriert werden.
2. (Fehl)Bedarfsanalyse Bottom-up
Die Bedarfe müssen immer von der Basis gedacht werden, von Künstler*innen und den einzelnen Sparten, die sich über verschiedene Formate und in Feedbackschleifen untereinander abgleichen.
Analysen, die Bedarfe der Künstler*innen nicht oder nur unzureichend mitdenken, schaffen Schieflagen, die Kunst wiederum für andere Zwecke instrumentalisiert, Kunstförderung als sekundärer Beweggrund. Hauptsinn und Nebennutzen treten in Konkurrenz zueinander (Verschiebung des Begründungsfokus), siehe oben.
3. Transparentes und partnerschaftliches Verfahren
Das Evaluierungsverfahren muss einstimmig zwischen allen Akteur*innen abgestimmt werden.
Das Evaluierungsverfahren muss für alle Akteur*innen geöffnet und zugänglich sein (kein Closed Shop-Verfahren).
Das Evaluierungsverfahren muss ergebnisoffen und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und dokumentiert werden.
4. Pluraler und integrativer Partizipationsprozess
Der Projektverlauf muss bei der spartenspezifischen Bedarfsanalyse ansetzen.
Er bedient sich dabei verschiedener Abstimmungsformate (Summits, runde Tische, Workshops, Plenen, etc.) und –tools (Webumfragen, kollaboratives Schreiben/ Google Docs, etc.)
In der zweiten Phase erfolgt eine spartenübergreifende Ergebnisanalyse, aus der heraus, spartenspezifische Instrumente verbessert und ergänzt, konkrete zusätzliche Förderinstrumente entwickelt und übergreifende Problemlösungsfindungen über Feedbackschleifen initiiert werden.
5. Orga – Projektgruppe/ Feedbackgruppe
Bei einem derart anspruchsvollen Prozess ist es unabdingbar, dass eine unabhängige Projektgruppe implementiert wird, auf die sich alle Akteur*innen einvernehmlich verständigen. Wesentliche Aufgabe der Projektgruppe ist es, den Projektverlauf zu steuern und zu koordinieren, Ergebnisse zu sammeln, zu konsolidieren und als Entscheidungsvorlagen aufzubereiten
Ein Evaluierungsprozess von diesem Ausmaß kann nicht linear verlaufen.
Feedbackschleifen müssen über das Projektteam gesteuert werden, welches Zwischenergebnisse nicht nur zusammenführt sondern auch zurückspiegelt an die Basis, damit vor allem auch ein spartenübergreifender, mehrstufiger Ideenaustausch sichergestellt ist.
Die Feedbackgruppe bringt spezifische Expertise in die Analyse von Zwischenergebnissen oder externen Restriktionen ein (SenKE, KdFS, externer Sachverstand, etc.)
Koordiniert wird die Arbeit der Koalition der Freien Szene von dem Sprecher*innenkreis:
Für Bildende Kunst: Corinna Weiner, Bernhard Kotowski, berufsverband bildender künstler*innen berlin
Für Musik: Sebastian Elikowski- Winkler, DACH/MUSIK, Initiative Neue Musik
Bettina Bohle, Magnus Schriefl, DACH/MUSIK, IG Jazz Berlin
Für Literatur: Eric Schumacher, Alexander Filyuta, Netzwerk Freie Literaturszene Berlin e.V.
Für Tanz: Simone Willeit, Uferstudios GmbH, Tanzraumberlin
Für Darstellende Künste: N.N., Landesverband Freie Darstellende Künste (LAFT Berlin)
Für Projekträume: Chris Benedict, Matthias Mayer, Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen