Systematisierung des Fördersystems der freien Kunstszene in Berlin
(Entwurfspapier)
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Einleitung
Das Land Berlin bietet den dort lebenden Künstler*innen der Freien Szene und ihren Initiativen, Gruppen und Vereinigungen eine Vielzahl sehr ausdifferenzierter Förderinstrumente. Die Verhandlungen zum Kulturhaushalt 2018/19 haben allerdings erneut verdeutlicht, dass die offensichtliche Soll-Ist-Abweichung bei der Förderung der Freien Szene nicht nur eine Frage der finanziellen Ausstattung ist, sondern auch eine Frage der inhaltlichen Ausgestaltung und systematischen Aufbereitung, wie die einzelnen Förderinstrumente zueinander in Beziehung gesetzt werden, sich gegenseitig sinnvoll ergänzen, möglichst harmonisiert und über alle Sparten/Akteure in ein ausgewogenes, bedarfsgerechtes und schlüssiges Verhältnis gesetzt werden. Denn es besteht zwischen den Sparten keine Chancengleichheit in der Realisierung eines künstlerischen Vorhabens.
Die aktuelle Struktur wird von der Mehrzahl der Prozessbeteiligten als mitunter kleinteilig, überkomplex, intransparent und nicht immer bedarfsgerecht empfunden. Sie versperrt den Blick auf eine ganzheitlich aufgesetzte und integrativ wirkende Aufgabenerfüllung, die bei aller Heterogenität der Freien Szene Förderinstrumente sinnvoll bündelt sowie unter Berücksichtigung der spartenspezifischen Bedarfe vereinheitlicht und für alle Sparten/Akteure gleichermaßen zugänglich macht. Zudem bindet diese Struktur unnötige Ressourcen, ist auch für die Antragsteller*innen oftmals verwirrend und entspricht nicht dem Grundsatz der Spartengerechtigkeit.
Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum die Förderinstrumente, die in den
„Allgemeinen Anweisungen zur Förderung von privatrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen in Berlin“ genannt sind, nicht analog auch für andere Sparten angeboten werden. Derzeit sind dadurch alle anderen Sparten von den dort aufgelegten Instrumenten der Konzeptförderung, Basisförderung, Einzelprojektförderung, Spielstättenförderung oder Einstiegsförderung ausgeschlossen. Außerdem ist nicht verständlich, warum nicht mit allen Sparten in einem ähnlich partizipativen Prozess Förderinstrumente entwickelt oder überarbeitet werden.
Es ist des Weiteren zu hinterfragen, wie die Förderungen von Einzelkünstler*innen (insbesondere durch Arbeits- oder Recherchestipendien), von Arbeitsraum-, Spielstätten- und Projektförderung in ein angemessenes Gleichgewicht gebracht und auf die tatsächlichen Bedarfe der Berliner Freien Szene und ihrer Akteure ausgerichtet werden können.
Nach welchen Kriterien werden bestimmten Sparten Recherchestipendien zugebilligt, anderen hingegen nicht. Warum werden Arbeitsstipendien je nach Sparte unterschiedlich ausgestattet? Und warum werden Künstler*innen einzelner Sparten bei Bewerbung auf ein Stipendium mit anschließendem Bewerbungsstop benachteiligt?
Welche Förderinstrumente haben sich bewährt (Best practice), welche stoßen auf eine eher zurückhaltende Resonanz?
Dies sind nur einige Problem- und Fragestellungen, die aufzeigen, dass grundsätzlicher Handlungsbedarf erforderlich ist. Es wird Zeit, diese Struktur gemeinsam mit den verschiedenen künstlerischen Sparten und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa von Grund auf neu und systematischer aufzustellen, sie zu harmonisieren und transparenter zu gestalten.
Dazu ist unserer Einschätzung nach ein mehrstufiger partizipativer Prozess erforderlich, der spartenspezifisch ansetzt und von unten nach oben die aktuelle Fördersituation sowie die besteheden Bedarfe analysiert und neue Modelle Entwickelt, um Chancegleichheit der Realisierung künstlerischer Vorhaben zwischen allen Sparten herzustellen. Dieser Prozess lässt sich vereinfacht in folgende Projektschritte untergliedern:
Vorbereitung: Bestandsaufnahme der bestehenden Förderstrukturen
• Dokumentation und Clusterung der Förderinstrumente nach Sparten, Inhalt, Anzahl und finanzieller Ausstattung (im Wesentlichen durch SenKult)
• Darstellung der spartenspezifischen Förderschwerpunkte (Gewichtung)
• Darstellung einer Übersichtstopologie in einem nach Stationen der künstlerischen Produktion orientierten Koordinatensystem
Projektablauf
1. Spartenspezifische (Fehl)Bedarfsanalyse
• Erhebung der spartenspezifischen Förderbedarfe (Soll-Ist) ggf. mittels Umfragen / Evaluation
• Abgleich mit Bedarfsdarstellung der Kulturverwaltung aus Antragslage in den Sparten
• Zusammenfassung der Ergebnisse und Darstellung der Förderlücken (Fehleranalyse)
• Tools: Web-Umfrage (surveymonkey); Feedbackschleifen, runde Tische, Summits, Workshops, etc. je Sparte.
2. Spartenübergreifende Ergebnisanalyse
• Identifizierung, Verifizierung und Falsifizierung von spartenspezifischen Förderlücken
• Darstellung spartenspezifischer Best Practices und Analyse von Übertragbarkeitspotentialen
• Identifizierung von Querschnittsthemen
• Welche Instrumente und Methoden können aus dem internationalen Kontext herangezogen werden? Wissenschaftliche Beratung der Systematisierten Analyse der Förderstrukturen.
• Tools: Meetings, Feedbackschleifen, Workshops, etc.
3. Spartenspeziefische Entwicklung von Förderinstrumenten
• Rahmenbedingungen und Umfeldanalyse (u.a. Feedbackgruppe)
• Analyse restriktiver Faktoren (u.a. Feedbackgruppe)
• Einbringung von externer Expertise (z.B. Landesrechnungshof)
• Abbildung einer ersten konsolidierten Soll-Struktur
• Tools: Meetings, Feedbackschleifen, Workshops, Info-Veranstaltung etc. je Sparte
4. Übergreifende Problemlösungsfindung
• Einbindung aller Rückmeldungen (z.B. aus der Info-VA), aller relevanten Akteure, Spartenverbände, Feedbackgruppe, und externer Expertise
• Regelmäßige Rückkopplungsschleifen mit Sparten und Feedbackgruppe
• Bewertung Pro und Cons
• Bündelung der Arbeitsergebnisse
• Konkretisierung einer neuen Fördersystematik
• Prüfung von Möglichkeiten subsidiärer Aufhängung der Förderinstrumente.
• Entwicklung von subsidiären Strukturen der Förderung
• Tools: Meetings, Workshops, spartenübergreifende Informationsveranstaltungen, wissenschaftliche Begleitung
5. Übergreifende Endabstimmung
• Endabstimmung zwischen allen Beteiligten (-> Abschlussmeeting Feedbackgruppe)
• Finalisierung und Freigabe der Arbeitsergebnisse (Entscheidungsvorlage)
• Dokumentation und Aufbereitung der Arbeitsergebnisse
• Öffentliche Präsentation (Pressekonferenz)
• Publikation über Web, Social Media, Print
• Vorstellung bei den kulturpolitischen Sprecher*innen, im Kulturausschuss
• Tools: Abschlussmeeting, Pressekonferenz, etc.
Projektdesign
Um der Komplexität der Aufgabenstellung gerecht zu werden, schlagen wir folgende Projektorganisation vor:
1. Beteiligte Gruppen
a) Projektgruppe
• Jeweils ein Vertreter aus den sechs Sparten (auf Basis von Sitzungs- oder Honorargeldern)
• 3 Personen Organisationsteam aus der freien Szene (alle auf Honorarbasis) mit Aufgaben u.a.:
◦ Projektorganisation, -koordination und -planung
◦ Interne und externe Projektkommunikation
◦ Projektdokumentation und Berichtswesen
◦ Bedarfsgerechte Prozessgestaltung
◦ Informationsbündelung
◦ Konfliktmanagement / Mediation
◦ Entwicklung/Ableitung von Szenarien
◦ Initiierung von Ideenfindungsprozessen
◦ Moderation von Austausch- und Feedbackprozessen
◦ Aufbereitung von Entscheidungsvorlagen
• zzgl. unterstützende Projektassistenz, Honorarkräfte (Statistiker, Grafiker, Redaktion,…)
b) Feedbackgruppe
Bestehend aus Vertretern der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und Mitgliedern des Kulturausschusses, dem Sprecherkreis der Koalition der Freien Szene sowie ggf. weiteren Experten. Für die Erfüllung des Projektvorhabens sind aufgaben- und akteursspezifische Leistungsbeschreibungen zu erstellen.
c) Aufgabenbeschreibungen und Beauftragung
Aufgabenbeschreibungen und Beauftragung für Projektorganisation und wissenschaftliche Begleitung erfolgen im Einvernehmen zwischen der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und Koalition der Freien Szene
2. Projektstruktur
• ein 3er Organisationsteam arbeitet jeweils 10-15 Stunden/wöchentlich und treffen sich regelmäßig
• alle 2 Monate Jour Fixes innerhalb der Feedbackgruppe (Spartenvertretungen)
• alternierend alle 2 Monate Jour Fixes des Organisationsteam mit der Feedbackgruppe
• Strukturierte Feedback-/Abstimmungsprozesse
• Workshops
• etc.
3. Projektdauer
Die Projektdauer wird mit 12 Monate veranschlagt, so dass Ende 2018 konkrete Endergebnisse vorliegen sollen.
4. Mittelausstattung
Für das Projekt müssen Mittel für Personal- und Sachkosten bereitgestellt werden.
• Zuwendung der Kosten für die Organisation und Ausrichtung für zwei Fördersummits pro Kunstsparte.
• Personalkosten: u.a. für Honorarmittel für das Organisationsteam, für Mitglieder der Projektgruppe, sofern die Mitwirkung es nicht im Rahmen Ihrer honorierten Tätigkeit erfolgt, für externe Expertisen, wissenschaftliche Begleitung, für eventuelle Sonderaufgaben.
• Sachkosten: u.a. für Anmietung von Räumlichkeiten (inkl. Bewirtung) für Meetings, Workshops, etc., für Arbeitsmaterialien, für Druckkosten (Publikation) und Distribution.