PRESSEMITTEILUNG
Partizipativ – wie sonst?
Die AG Alte Münze der Koalition der Freien Szene Berlin lud gestern Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung, Immobilienmanagement, Denkmalschutz und Zivilgesellschaft in die Alte Münze, um öffentlich den aktuellen Stand der Entwicklung eines Kulturstandorts der Freien- und Kulturszene in der Alten Münze zu diskutieren und einen transparenten Austausch für Fragen zu ermöglichen.
Audio-Mitschnitt der öffentlichen Veranstaltung vom 25. August 2020:
Basierend auf dem Abgeordnetenhausbeschluss (AGH), in einem partizipativen Prozess eine politische Empfehlung für die Nutzung der Alten Münze zu erarbeiten, ging es nun darum, die Charta, das Betreibungsmodell und Nutzungskonzept zu sichern. „Der politische Beschluss der Partizipation mit diesem Areal findet national und international große Beachtung – sowohl in kulturpolitischen Kreisen als auch in der Freien Szene“, so Wibke Behrens im Eingangsstatement.
Bei näherer Draufsicht fehlt es aber an dem grundsätzlichen Handwerkszeug in der Kommunikation und Vorgehensweise. Die AG Alte Münze, die Beteiligung, Transparenz und Mitsprache maßgeblich eingefordert hat, vermisst einen Informationstransfer zu den nächsten Schritten in der Sicherung des Areals und erneuert ihren Anspruch auf Mitsprache.
Frank Jahnke, kulturpolitischer Sprecher der SPD zeichnet ein durchweg positives und optimistisches Bild, dass das, was bis hierhin partizipativ erarbeitet wurde, auch in die Umsetzung kommen wird. „Ein vernünftiges Ergebnis“, nennt er die Empfehlung und meinte, nun gelte es Modelle zu finden, die Kulturmieten möglich machten.
Regina Kittler, kulturpolitische Sprecherin DIE LINKE, sagte: „Wir wollten dieses gesamte Areal der Immobilienvermarktungsindustrie entreißen. Das haben wir geschafft.“ Die Entscheidung zu einem partizipativen Prozess habe auf der Hand gelegen und sei erfolgreich umgesetzt worden.
Daniel Wesener, kulturpolitischer Sprecher DIE GRÜNEN gab zu bedenken, dass der Begriff „Partizipation“ einen ständigen Lernprozess voraussetze. Entscheidend sei, eine Gruppe zu bilden, um die bisherige Beteiligung von engagierten Akteur*innen in einer verstetigten Form weiter zu führen. Zur weiteren Entwicklung sagte er: „Das Projekt Alte Münze bleibt eine riesige Herausforderung: baulich, konzeptionell, wirtschaftlich.“
Torsten Wöhlert, Staatssekretär für Kultur, sieht die größten Herausforderungen in der baulichen Herrichtung und der sogenannten Bedarfsplanung. Hierbei geht es darum, den Spagat zwischen den baulichen Anforderungen gemäß der gewünschter kulturellen Nutzung einerseits und den bisher vom AGH bereitgestellten 35 Mio. Euro zu schaffen. Im Klartext: Wie viel Probe- und Präsentationsräume für Theater, Musik und Kunst lassen sich mit dem Budget sanieren?
Die Stunde der Wahrheit
Die Antwort darauf könne nur von den architektonisch-baulichen Planer*innen kommen, deren Auftrag im Oktober 2020 ausgeschrieben werde und die sich dann in den zwei Jahren die Räumlichkeiten, die Raumanforderungen und den Sanierungsbedarf ansehen sollen. Wöhlert nennt ihr Ergebnis „Die Stunde der Wahrheit“, nach der sich sicherlich erneut eine politische Debatte ergeben werde.
In einem Punkt sind sich alle Podiumsteilnehmer*innen einig und bestätigen damit auch das Ergebnis und die Empfehlung des Beteiligungsverfahrens: Dass für die Alte Münze basierend auf der Charta die Vision in eine Betreiberstruktur gebracht werden müsse, die es schaffe, verschiedenste kulturelle Nutzungen mit einem kuratorischen Anspruch aufeinander zu beziehen und ein betriebswirtschaftliches Konzept vorzulegen, das zugleich eine Kulturmiete ermögliche und dass der Ort sich selbst trage.
Sybille Haseley vom Landesdenkmalamt Berlin hat fachlich keinerlei Bedenken, dass die Entwicklung des Standorts im gewünschten Nutzungsprofil zu bewerkstelligen sei und es praktikable Lösungen für alle denkmalpflegerischen Aspekte geben werde.
Knackpunkt Betreibermodell
Das Betreibermodell hieß es noch im Vorfeld des Diskussion, solle erst ab 2023 konkret zusammen mit Teilnehmenden des partizipativen Prozesses erarbeitet werden. Zu spät, findet Michael Müller, Mitglied der AG Alte Münze, der kritisiert, dass das Beteiligungsverfahren vom Abgeordnetenhaus mit einer Empfehlung beauftragt war und nicht nur hinsichtlich der zukünftigen Nutzung sondern auch in Bezug auf den weiteren Prozessverlauf ein sehr konkretes Ergebnis vorgelegt habe. Nun aber beziehe man sich immer wieder nur auf zwei von sechzehn Seiten des Ergebnisses und blende zentrale Übereinkünfte aus oder beziehe sich auf einen früheren Stand.
So sei der Abgeordnetenhausbeschluss von 2018 in einem aufwendigen Workshopverfahren weiterentwickelt worden und man möge nun bitte auch dessen Ergebnisse politisch übernehmen. Es sei überholt von einem Kultur- und Kreativstandort zu sprechen, wenn im Verfahren das Wording eines Kulturstandorts „für die Freie Kunst- und Kulturszene“ entwickelt und mit konkreten Inhalten und Zielvorgaben gefüllt worden sei.
Auch Martin Eifler, bei der BKM zuständig für die Alte Münze, gibt zu, dass es noch viele Unsicherheiten gebe. Der Bund wolle sich anteilig am Musikstandort Alte Münze beteiligen, doch man müsse dem Haushaltsausschuss des Bundes erst noch ein Konzept zur Bewilligung vorlegen, für den Bau und die Planung aber sei das Land Berlin zuständig. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus allen Stakeholdern hält er daher für durchaus sinnvoll.
Ute Müller-Tischler, Fachbereichsleiterin Kunst und Kultur Bezirk Mitte, formulierte ein großes Interesse am objektübergreifende neu entstehende Kulturquartier auch im Umfeld über Molkenmarkt, Klosterruine bis hin zum Haus der Statistik und würde es begrüßen, wenn der Bezirk hier stärker eingebunden werden kann.
Fazit
Es gilt als Konsens in Politik und Senat, dass die die Ergebnisse der Workshopverfahrens von 2019 in die Realität überführt werden sollen. Man möchte den Ort langfristig und substanziell – über die nächste(n) Wahl(en) hinaus – als Kulturstandort sichern. Ein planungsbegleitendes Gremium und die weitere Beteiligung der Freien Szene wurden konstruktiv diskutiert. Zunächst aber seien Sachfragen in der Bauplanung zu klären. Die Relevanz des Betreibermodells sei allen Beteiligten bewusst, da es die Zusammensetzung künftiger Nutzer*innen vordefinieren werde. Klar sei, dass eine öffentliche Liegenschaft sicher in einer öffentlich-rechtlichen Form betrieben werden soll. Man wolle hierzu eine Aushandlung anstoßen, allerdings nicht jetzt – über den richtigen Zeitpunkt herrschte Dissens.
Einig waren sich alle auch dahingehend, dass die Aktualität der Informationen verbessert werden müsse. Das Projekt Alte Münze und die Transparenz in der Entwicklung hätten laut Wöhlert sehr hohe Priorität in der Kulturverwaltung – neben dem Corona-Krisenmanagement. Die kulturpolitischen Sprecher sicherten zu, auf parlamentarischer Ebene weiterhin Berichte anzufordern und den Prozess aktiv zu begleiten, u.a. auch indem sie sich im Haushaltsausschuss und Abgeordnetenhaus zur Überwindung der finanziellen Herausforderungen einsetzen werden. Ganz konkret könnte laut Wöhlerts nun geprüft werden, die kulturelle Nutzung beispielsweise im Grundbuch festzuschreiben – eine Idee, die Regina Kittler in der Regierungskoalition weiterverfolgen will.
Weitere Informationen zum bisherigen Beteiligungsverfahren (Stand Juni 2019) finden Sie unter: https://www.berlin.de/alte-muenze.