Die Erwartungen an die rot-rot-grüne Regierungskoalition waren groß. Von substantiellen Verbesserungen für die Freie Szene ist im Koalitionsvertrag die Rede, von nachhaltigen Weichenstellungen, um prekäre Arbeitsbedingungen zu überwinden und infrastrukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen.
Die neue Senatsverwaltung für Kultur und Europa profitiert dabei von einer guten Haushaltslage und wurde mit sehr hohen Aufwüchsen bedacht. Dem Kulturhaushalt stehen beachtliche 625,6 Millionen im Jahr 2018 und 603,4 Millionen Euro im Jahr 2019 zur Verfügung. Und dennoch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass eine direkte Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern der Freien Szene keine wesentliche Rolle im nächsten Doppelhaushalt spielt.
Förderschwerpunkt sind nach eigener Aussage: kulturelle Teilhabe, gleichberechtigte Zugänge und die Stärkung von „Berlin als Kulturhauptstadt“.
Auf der Haben-Seite stehen beispielsweise der geplante Festivalfonds in Höhe von 8 Millionen Euro oder auch die Aufstockung der Förderung von Kinder- und Jugendtheatern um rund 1,5 Millionen Euro. Grundsätzlich wurde ein Großteil der Aufwüchse des Kulturhaushaltes zur Umsetzung der Tarifsteigerungen im Kulturbereich verwendet. Das ist gut! Die Freie Szene muss sich allerdings weiter hinten anstellen. Da dort keine Tarifverträge abgeschlossen werden können, wird sie daran nicht partizipieren.
Sie erhält weiterhin keinen fairen Anteil an den City-Tax-Einnahmen, sie wird stattdessen auf Sparflamme gehalten und blutet finanziell aus. Von einer Finanzierung auf Mindesthonorar-Basis ist die Freie Szene immer noch Lichtjahre entfernt. Die Freie Szene hängt am Tropf. Ihre Möglichkeiten in Selbstverwaltungsstrukturen nah an den Bedarfen zu agieren, sind äußerst beschränkt, und dort, wo sie ihr in bescheidenem Umfange gewährt werden, gelten sie nur bis auf Widerruf. Partizipation auf Augenhöhe, so könnte der Eindruck sein, wird zunehmend als störend empfunden, ihr zivilgesellschaftlicher Wert ausgeblendet. Selbst die Zusammenarbeit der Freien Szene mit der Legislative wird als Hinterfragung von Verwaltungshandeln kritisiert.
Trotz einer Ausstattung mit mehr als 11 Millionen Euro stagniert das sogenannte Arbeitsraumprogramm, immerhin ein zentrales Vorhaben der Senatsverwaltung. Die Entwicklung von kulturellen Großstandorten verzögert sich, teilweise über Jahre, alternative Konzepte werden vernachlässigt, die notwendige Einbindung und Expertise der Freien Szene über den Arbeitskreis Räume für die operative Umsetzung und strategische Weiterentwicklung soll weitestgehend abgeschafft werden.
Das bereits mehrfach verschobene Förderinstrument der künstlerischen Forschung wurde trotz allseitiger Einigkeit durch ungeschicktes Verwaltungshandelns für diesen Haushalt erneut komplett gestrichen. Alternative Umsetzungsszenarien wurden ignoriert.
Grundsätzlich fehlt weiterhin ein strategisches, langfristiges Konzept des Aufbaus und der Entwicklung künstlerischer Infrastrukturen und Raumangebote ebenso wie die Systematisierung und Neuausrichtung der Förderinstrumente.
Immer noch nur 5 % des Kulturhaushaltes für die 95% der Künstler*innen Berlins. Bescheidene Aufwüchse. Zwei neu geschaffene Arbeitsräume. Weniger Ateliers als in den Vorjahren. Das ist überspitzt formuliert die Erfolgsbilanz eines linken Kultursenators, für den die Freie Szene vorerst kein nennenswerter Förderschwerpunkt zu sein scheint. Die Koalition der Freien Szene wird weiter den konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten in Kultur, Verwaltung und Parlament suchen und sich engagiert für die Umsetzung ihrer Forderungen (siehe 11 Punkte) einsetzen:
Die Stärkung der Freien Szene – das ist die infrastrukturelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Präsentation und Produktion aller Sparten, die langfristige Sicherung von bezahlbarem Raum, die Zahlung von Ausstellungshonoraren und Mindesthonoraren. Und die City Tax ist die Einnahme der Kultur, wofür mindestens 50% in die Freie Szene gehören!
Die Freie Szene Berlins hat seit 2012 in der Koalition der Freien eine offene Plattform für kulturpolitisches Handeln etabliert. Die einzelnen Kunstsparten sprechen außerdem über ihre Verbände. Die Basis für gemeinsames Handeln ist gelegt, sie muss nur aufgegriffen werden.
Koordiniert wird die Arbeit der Koalition der Freien Szene von dem Sprecher*innenkreis, in dem Einzelpersonen und Verbände der Kunstsparten vertreten sind:
Sprecher*innen: Christophe Knoch, Mica Moca Project Berlin
Für Bildende Kunst: Corinna Weiner, Bernhard Kotowski, Berufsverband Bildender Künstler Berlin
Für Kulturproduktion: Wibke Behrens
Für Musik: Ulrike Brand, Sebastian Elikowski- Winkler, DACH/MUSIK, Initiative Neue Musik Bettina Bohle, Magnus Schriefl, DACH/MUSIK, IG Jazz Berlin
Für Literatur: Eric Schumacher, Alexander Filyuta, Netzwerk Freie Literaturszene Berlin e.V.
Für Tanz: Simone Willeit, Uferstudios GmbH
Für Theater: Vera Strobel, Nicole Otte, Landesverband Freie Darstellende Künste (LAFT Berlin)
Für Projekträume: Chris Benedict, Matthias Mayer, Netzwerk freier Berliner Projekträume und –initiativen